Dieser blinde Fleck brachte meinen Mann und mich auf die Idee, eine Gegenerzählung zu entwerfen. In der Zukunftsforschung diskutiert man seit Beginn solchen Denkens über Glaubenssätze: Wir müssen andauernd kognitive Verzerrungen in Schach halten, weil wir Zukunft praktisch immer durch die Erfahrungsbrille betrachten - insbesondere in Europa. Wenn Zukunft aber zunehmend anders wird als die Gegenwart ist (Dynamik des Wandels), ist das auf Dauer eine ziemlich dumme Haltung. Aus den neueren Wissenschaften wie Neuro-Science, Kybernetik, Verhaltensökonomik, Epigenetik und Quantenphysik haben wir deshalb deren Erkenntnisse der europäische Ideengeschichte ein- und zugeordnet und zukunftsforscherisch weitergedacht. Unser Ergebnis ist eine wissenschaftsbasierte Erzählung, die vom christlichen »Abendland« ausgeht und deshalb anti-christlich gar nicht sein kann. Die aber dort nicht mehr stehenbleibt und säkular weiterargumentiert. Wir sitzen also auf den Schultern unserer Tradition und inszenieren eine Abbiegung. In unserer Erzählung kommen Gott und das Jenseits nicht mehr vor (sind und bleiben persönliche Glaubensentscheidungen). Wir wechseln ins Diesseits - aber in ein seelisch immens reiches.
Hier unten sind keine unsterblichen Wesen zu finden, sondern nur Lebewesen, die entstehen und wieder vergehen. Für uns Sterbliche zählen Zeit, glückliche Momente, Beziehungstiefe, Eingebunden-Sein und Kontakt. Hannah Arendt erinnert daran: Menschen können sich nur gegenseitig sichern. Das Außen ist dafür prinzipiell unzureichend. Wenn wir das für glaubwürdig hielten, wären wir automatisch im Zeitalter der Ökologie. Und in völlig anderen Orientierungen, wenn wir uns selbst dazu bringen wollen, gesundheits- und zufriedenheitsbewusster, erfolgreich und naturgerecht zu handeln; beruflich, privat, individuell und gemeinsam mit anderen. Das geht nur, wenn wir an die Welt und unsere Erde glauben. Dass das, was hier unten ist, reicht, wertig ist. Wenn die Welt mehr sein darf als sündig, suboptimal, ontisch minderwertig (der Vergleichsmaßstab ist nicht irdisch!) und notorisch fehlerhaft.
Meine Aufgabe ist, genau darauf Antworten zu geben; geerdete, auch empirisch glaubwürdige. Welche, die unsere westliche Welterfahrung tragen und weiterführen.